
Es funktioniert! – Erfahrungen aus dem ersten Mieter:innenstrommodell in Hofheim
Es funktioniert! – Erfahrungen aus dem ersten Mieterstrommodell in Hofheim
Die Etablierung von Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern mit mehreren Eigentümern oder Mietern stellt sich für viele Eigentümer schwierig dar. Wer trägt die Investitionskosten, wer kann den Strom nutzen, wie erfolgt die Abrechnung und wie wird der Nutzen aus dem Verkauf des überschüssigen Stroms verteilt usw.? Viele ungelöste Fragen, die Vermieter von Mehrfamilienhäusern oft davon abhält, in Solaranlagen zu investieren. Dass es trotzdem gehen kann, zeigt das erfolgreiche Beispiel eines Mieterstrommodells in der Wohnanlage “WIR am Klingenborn“ der Hofheimer Wohnungsbau GmbH (HWB).
Bei der Vorstellung des Projekts in 2015 bekundete die HWB Interesse an einem Mieterstrommodell, sah sich jedoch selbst nicht in der Position, die komplizierte Planung und den Betrieb zu übernehmen. Die Überwindung der technischen, aber vor allem administrativen und rechtlichen Hürden und Umsetzung gelang schließlich durch den Einstieg der Bürgerenergiegenossenschaft SolarInvest Main-Taunus eG. ins Projekt. Diese konzipierte und baute die Anlage und ist heute Betreiberin. Dadurch wurde die HWB weitestgehend entlastet und die Mieterinnen und Mieter erhalten vor Ort produzierten Ökostrom. Da auch der SolarInvest die Abrechnungs- und Verteilungsmodalitäten einschließlich des Zukaufs von Strom zu Zeiten, in denen nicht genügend Solarstrom produziert wird, zu kompliziert sind, hat sie hierfür einen Vertrag mit Prosumergy geschlossen, eine Firma, die auf solche Aufgaben spezialisierten ist.
Die Arbeitsteilung sieht vor, dass SolarInvest die Anlage besitzt und betreibt und sich durch den an die Mieter verkauften bzw. ins Netz eingespeisten Strom finanziert, während die Mieterinnen und Mieter lediglich einen Vertrag mit Prosumergy als Stromlieferant schließen. Dadurch unterscheidet sich für sie das Verfahren nicht gegenüber herkömmlichen Verträgen, mit einer wesentlichen Ausnahme: „Als wir damals einzogen haben wir den Preis mit anderen Anbietern verglichen und er war konkurrenzlos günstig“ ,so Stefan Tomik, Referent für E-Mobilität und Öffentlichkeitsarbeit, SolarInvest Main-Taunus eG und gleichzeitig selbst Mieter im Gebäude.
Der Strompreis lag beim Einzug 12 % unter dem Grundversorgungstarif des örtlichen Stromanbieters. Dies war eine Hauptforderung der HWB an die SolarInvest für die Überlassung der Dachfläche. „Im Vergleich haben wir dadurch jährlich 136 Euro gespart!“ sagt Stefan Tomik. Auch heute ist der Preis mit 22,27 Cent/kWh immer noch sehr günstig, auch wenn er durch die Energiekrise bald deutlich steigen wird. Auf diese Weise ist es nicht verwunderlich, dass alle 41 Wohneinheiten mit dabei sind. Die Teilnahme ist jedoch nicht verpflichtend, den Mietern und Mieterinnen steht es frei, auch einen Vertrag mit einem anderen Anbieter zu schließen. Und selbst wenn dies einmal passieren sollte, könnte der Strom immer noch an die restlichen Mieter verkauft werden.
Die Anlage am Klingenborn ist die erste Mieterstromanlage der SolarInvest. Wie sieht die Zukunft aus? „Das Modell lässt sich grundsätzlich auf viele ähnliche Mietgebäude übertragen. Es bedarf Vermieter, die von der Sache überzeugt sind, und die Dachfläche der SolarInvest überlassen oder verpachten. Das Potenzial ist groß und wir als Bürgerenergiegenossenschaft sind immer an neuen Flächen interessiert.“ führt Stefan Tomik aus. „Attraktiv wären auch Energysharing-Modelle, bei denen der überschüssige Solarstrom nicht ins Netz eingespeist, sondern direkt an die Nachbarn verkauft wird. Aber das ist in Deutschland rechtlich einfach noch nicht vorgesehen. Da hinken wir anderen Ländern hinterher.“
Eckdaten zur Anlage Am Klingenborn 2 und 2a
Das 2020 fertiggestellte Gebäude im Passivhausstandard (bzw. KfW 40 plus) der HWB hat 41 Wohneinheiten mit 2326 m2 Wohnfläche und umfasst auch seniorengerechte Wohnungen und eine ambulant betreute Demenz-Wohngemeinschaft. Die installierte Leistung der Photovoltaikanlage beträgt ca. 68,2 kWp Nennleistung, die nach Inbetriebnahme im Februar 2020 bis Jahresende schon 43.395 kWh lieferte. Ein Batteriespeicher ergänzt die Anlage. 84% des erzeugten Stroms werden direkt im Gebäude verbraucht. Der erzeugte Solarstrom deckt über das Jahr gemittelt ca. 23% des Bedarfs ab. Daneben wird in den Sommermonaten überschüssiger Strom ins Netz eingespeist. Der zugekaufte Strom wird von den Bürgerwerken bezogen, um 100% Ökostrom für die Nutzung im Gebäude zu garantieren.
Die PV-Anlage selbst hat netto ca. 65.000 Euro gekostet. Hinzu kamen Kosten für Zählertechnik und den Batteriespeicher, der von der HWB finanziert wurde.
Der Bedarf des Mietobjektes an Elektroenergie ist groß, da mit Wärmepumpe geheizt wird und zudem noch ein Ladepunkt für 2 E-PKW’s mit einer Ladeleistung von 11 KW bis 22 KW auf dem zum Grundstück gehörenden Parkplatz installiert wurde. Einer dieser Parkplätze wird für das ebenfalls von SolarInvest betriebene „nahCar“, ein E-Carsharing-Modell, genutzt. Dieses kann nicht nur von Mieterinnen und Mietern, sondern von allen Interessierten genutzt werden. Das nahCar startete mit 12 Interessenten, die sich zu einem individuellen monatlichen Mindestbeitrag für jeweils ein Jahr verpflichtet haben. Es wird mittlerweile täglich genutzt und die Kosten sind gut abgedeckt. Aufgrund der sehr guten Resonanz gibt es nun auch noch 3 weitere Standorte im Main-Taunus-Kreis.
Weiterführende Links:
https://www.hwb-hofheim.de/bauen/abgeschlossene-projekte/wir-am-klingenborn/
https://www.solarinvest-main-taunus.de/project/mehrgenerationenhaus-wir-am-klingenborn
https://prosumergy.de/mieter/65719-am-klingenborn/
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