Es geht – Photovoltaik in einer kleinen Wohneigentümergemeinschaft

Ein Praxisbericht von Dr. Jörg Boysen, Miteigentümer in einer WEG und einer der Koordinatoren der Hofheimer Lokalen Agenda

Während Eigenheimbesitzer sich relativ einfach für eine PV-Anlage entscheiden können, vorausgesetzt die baulichen und finanziellen Voraussetzungen sind gegeben, stellt sich die Situation für kleine Wohneigentümergemeinschaften (WEG) komplizierter dar. Doch mit etwas Kreativität gibt es auch hier eine Lösung. Der WEG von Herrn Boysen, mit drei Wohnungen und zwei Eigentümern, ist genau das gelungen. Seit April 2023 liefert die gemeinsame PV-Anlage kostenlosen Solarstrom für alle Parteien inklusive eines Mieters. Wie sieht nun die Lösung aus?

Jörg Boysen: „Der Prozess war herausfordernd, weil ich mir alles durch Recherchen zusammensuchen musste. Zwar haben wir gute bauliche Voraussetzungen, aber generell müssen sich ja alle Eigentümer einer WEG vorab zur gemeinsamen Investition, zum Betrieb und zur gerechten Verteilung des Solarstroms einigen. Diese Entscheidungshürden sind wohl auch der Grund, warum es bei Fachfirmen anscheinend eine Skepsis gegenüber einer WEG als Kunden gibt. Ich musste einem mir empfohlenen Installateur und Planer gut zureden, dass er uns als Kunden unterstützte.

In unserem Haus wird die Heizung und Warmwassererzeugung mit einer Luftwärmepumpe betrieben, die beim Bau des Hauses in 2010 installiert worden war. Der Stromverbrauch ergibt sich also durch die Verbräuche in den einzelnen Wohnungen, dem Allgemeinstrom und der zentralen Luftwärmepumpe. Beim Installationsangebot war es wichtig, dass wir eine Wirtschaftlichkeitsrechnung, auf der Grundlage der IST-Verbräuche und mit plausiblen Annahmen zu Strompreisen, haben erstellen lassen. In unserem konkreten Falle ergab die Berechnung, dass inklusive des Einbaus eines Stromspeichers mit Netztrennung, was uns auch bei einem Blackout kurzfristig autark macht, eine Wirtschaftlichkeit nach 15 Jahren erreicht wird.

Das Installationsangebot und die Wirtschaftlichkeitsberechnung waren dann die Grundlagen für einen Beschluss der WEG, in dem u.a. (i) die Verteilung der Investitionskosten und die Berechnung der Stromabnahmen festgelegt wurden, (ii) die Parteien sich auf einen einzigen Stromversorger, der auch einen Sondertarif für Wärmepumpen hat, einigten und (iii) ich bevollmächtigt wurde, alle vertraglichen Angelegenheiten vorzunehmen. Solch ein Beschluss ist unabdingbar, es werden ja Verträge geschlossen und Investitionskosten fallen an.

Die Stromabrechnung für die einzelnen Parteien ist nun eine Mischkalkulation, da die Abnahme des Solarstroms und des Netzstroms, wenn kein Solarstrom verfügbar ist, im Hausnetz nicht voneinander zu trennen sind. Um das wirtschaftliche Potenzial der Anlage auszuschöpfen, appellieren wir also an alle Bewohner, soweit möglich Strom zu den Zeiten zu nutzen, in denen er produziert wird bzw. gespeichert ist – vor allem beim Gebrauch der Geschirrspülmaschine, der Waschmaschine und beim Herd. Wallboxen für die Tiefgarage haben wir noch nicht eingeplant. Das lässt sich später ergänzen, wobei man die Spielregeln für die Stromabrechnung darauf nachjustieren muss.

Ein weiteres kniffliges Problem sind Mieter, denn sie haben grundsätzlich keine Verpflichtung, sich der Solarstromabnahme anzuschließen. Die Installation einer Photovoltaikanlage ist aber in der Regel eine Modernisierungsmaßnahme, die auf die Miete umgelegt werden kann. Aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung konnten wir ableiten, dass die Mieterhöhung durch reduzierte Stromkosten für die Wohnung und reduzierte Nebenkosten für Warmwasser und Heizung ausgeglichen wird. So war unser Mieter damit einverstanden, den Strom aus der Anlage zu beziehen.

Und dann gab es noch eine Herausforderung bei der rechtlichen Stellung der WEG. Die war zunächst unklar. Uns wurde sowohl von Fachanwalt als auch Steuerberater gesagt, wir müssten eine von der WEG losgelöste GbR der Miteigentümer gründen. Doch nach eigenen Recherchen fand ich ein Urteil des Bundesfinanzministeriums, nach dem WEGs, die Strom primär für den Eigenbedarf produzieren und den Rest ans Netz abgeben, keiner anderen Rechtsform bedürfen. Doch da war immer noch das Problem, dass der Netzbetreiber eine eigene Steuernummer forderte, die die WEG vorher nicht brauchte. Auch das ließ sich lösen – mit einem speziellen Formular vom Finanzamt.

Ich könnte noch so einiges zur technischen Lösung erzählen, aber mit diesem Beitrag möchte ich speziell anderen kleinen WEGs Mut machen, es selbst zu probieren.

Weiteres:

Ist Ihre WEG doch größer? Dann ist für Sie vielleicht das Mieterstrommodell der Wohnanlage “WIR am Klingenborn“ etwas für Sie